300 Jahre Immanuel Kant

Lieber kein Gottesbild als ein falsches

Am 22. April 1724 wurde der Philosoph geboren, der Erkenntnistheorie, Ethik und auch die Religion auf eine neue Grundlage stellte. In unserem Online-Special erinnern wir an Immanuel Kant als einen protestantischen Theologen.

Weiße Strich-Zeichnung von Immanuel Kant auf violettem Hintergrund.

Immanuel Kants religiöse und theologische Biografie

22. April 1724

Der Tag seiner Geburt war im preußischen Kalender der Stadt Königsberg dem heiligen Emanuel gewidmet, weshalb das vierte Kind des stark pietistisch geprägten Paares Johann Georg und Anna Regina Kant auf diesen Namen lutherisch getauft wurde. Spätestens mit 22 Jahren wird er seinen Namen in „Immanuel“ ändern, weil er diese Schreibweise für näher am hebräischen Ursprung hielt. Die Bedeutung „Gott mit ihm“ war ihm bis ins hohe Alter sehr wichtig.

1740

Ein Jahr nach dem Tod seiner Mutter beginnt er an der Albertus-Universität Königsberg mit dem Studium – zunächst vermutlich der Theologie, dann der Naturwissenschaften und der Philosophie.

1744

Nachdem sein Vater erkrankt (zwei Jahre später wird er sterben), verdient Kant das Auskommen für sich und zwei jüngere Geschwister als Hauslehrer – unter anderem bei dem reformierten Prediger Daniel Ernst Andersch.

1755

In seiner ersten größeren Schrift „Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels“ folgert er aus astronomischen Beobachtungen korrekt, dass es sehr viele „Welteninseln“ (Galaxien) geben und das Universum sehr viel größer sein müsse als bislang angenommen.

Im gleichen Jahr begann er als Privatdozent in Königsberg seine Lehrtätigkeit unter anderem in den Fächern Natürliche Theologie und Metaphysik.

1763

In seiner Schrift „Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes“ entwickelt Kant einen „ontotheologischen Gottesbeweis“, in dem Gott als der Grund aller Möglichkeiten erscheint.

1764

Kant unterscheidet in dem Buch „Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen“ die beiden Begriffe, wovon der letztere theologiegeschichtlich Karriere machen wird. Erhabenes löse ein „grausiges Wohlgefallen“ aus, eine angenehme Schwermütigkeit. Rudolf Otto wird 150 Jahre später vom Heiligen als „schauervollem Geheimnis“ (mysterium tremendum) reden.

1770

Kant wird Professor für Logik und Metaphysik an der Universität Königsberg.

1781

Nach zehn Jahren publizistischer Zurückhaltung veröffentlicht Kant die „Kritik der reinen Vernunft“ (KrV) als Auftakt einer Trilogie (siehe 1788 und 1790), die die Philosophie so grundlegend neu umreißt wie zuvor allenfalls das Werk des Aristoteles. Die KrV will den Streit zwischen Rationalisten und Empiristen dahingehend beantworten, dass alle unsere Erkenntnis aus einer formbestimmten Anschauung und einer Verarbeitung dieser Anschauung in den Kategorien des Verstandes besteht.

1784

In dem Essay „Was ist Aufklärung?“ liefert Kant seine bis heute vielbeachtete Definition: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.“

1788

Die „Kritik der praktischen Vernunft“ führt gedanklich die drei Jahre zuvor erschienene „Metaphysik der Sitten“ weiter und fragt, wie Ethik durch Vernunft bestimmt werden kann. Sie enthält auch den berühmten „Kategorischen Imperativ“, die philosophisch reflektierteste Version der Regel „Was du nicht willst, …“: „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“

1790

Die „Kritik der Urteilskraft“ nimmt die Begriffe des Schönen und des Erhabenen nochmals auf (siehe 1764) und integriert sie in eine ästhetische Theorie.

1793

„Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ ist die Skizze einer auf der Vernunft basierenden Religion, die keinerlei Aussagen über Welterkenntnis oder Ethik treffen kann – das sind Domänen des Verstandes und der Vernunft –, die aber notwendig ist, um Menschen überhaupt zum moralischen Verhalten zu motivieren: Religion ist „die Erkenntnis aller unserer Pflichten als göttlicher Gebote“.

1794

Nach Konflikten mit der preußischen Zensur über seine Schrift „Über das Misslingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee“ und der Religionsschrift von 1793 darf Kant nur unter der Auflage weiter lehren, dass er keine weiteren religiösen Schriften veröffentlicht.

1798

„Streit der Fakultäten“

12. Februar 1804

„Es ist gut“ sollen seine letzten Worte gewesen sein. Er wird an der Außenseite des Königsberger Doms begraben.

Weiße Strich-Zeichnungen von Immanuel Kant und einer Kirche auf violettem Hintergrund.

Kant und die Religion – Plädoyer für einen vernunftkritischen Optimismus inklusive Heiterkeit

von Dr. Stephan Schaede

zum Text

Weiße Strich-Zeichnungen von Immanuel Kant und einem Kreuz auf violettem Hintergrund.

Kants Jesus – aufklärerisch flach oder gut lutherisch?

von Dr. Georg Raatz

zum Text

Weiße Strich-Zeichnungen von Immanuel Kant und Frank Hofmann auf violettem Hintergrund.

Wie Kant mich aufklärte

von Dr. Dr. Frank Hofmann

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Theologische Kant-Zitate

Zum Begriff des Erhabenen

Erhaben ist, was auch nur denken zu können ein Vermögen des Gemüts beweiset, das jeden Maßstab der Sinne übertrifft.

Kritik der Urteilskraft

Zur Religiosität

Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.

Kritik der praktischen Vernunft

Zu Gottesbeweisen

Wenn man also für die Naturwissenschaft und in ihren Kontext den Begriff von Gott hereinbringt, um sich die Zweckmäßigkeit in der Natur erklärlich zu machen, und hernach diese Zweckmäßigkeit wiederum braucht, um zu beweisen, dass ein Gott sei: so ist in keiner von beiden Wissenschaften innerer Bestand.

Kritik der Urteilskraft

Zu Gottesbeweisen

Also ist die oberste Ursache der Natur, sofern sie zum höchsten Gute vorausgesetzt werden muss, ein Wesen, das durch Verstand und Willen die Ursache (folglich der Urheber) der Natur ist, d. i. Gott. Folglich ist das Postulat der Möglichkeit des höchsten abgeleiteten Guts (der besten Welt) zugleich das Postulat der Wirklichkeit eines höchsten ursprünglichen Guts, nä,mlich der Existenz Gottes.

Kritik der praktischen Vernunft

Zur Vernunftreligion

Alles, was außer dem guten Lebenswandel der Mensch noch zu tun können vermeint, um Gott wohlgefällig zu werden, ist bloßer Religionswahn und Afterdienst Gottes.

Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft

Zu Jesus als Christus

Das Ideal der Gott wohlgefälligen Menschheit … können wir uns nun nicht anders denken, als unter der Idee eines Menschen, der nicht allein alle Menschenpflicht selbst auszuüben, zugleich auch durch Lehre und Beispiel das Gute in größtmöglichem Umfange um sich auszubreiten, sondern auch, obgleich durch die größten Anlockungen versucht, dennoch alle Leiden bis zum schmählichsten Tode um des Weltbesten willen, und selbst für seine Feinde, zu übernehmen, bereitwillig wäre.

Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft

Zur Bibel

Die Beglaubigung der Bibel nun, als eines in Lehre und Beispiel zur Norm dienenden evangelisch-messianischen Glaubens, kann nicht aus der Gottesgelehrtheit ihrer Verfasser (denn der war immer ein dem möglichen Irrtum ausgesetzter Mensch), sondern muss aus der Wirkung ihres Inhalts auf die Moralität des Volks, von Lehrern aus diesem Volk selbst, als Idioten* (im Wissenschaftlichen), an sich, mithin als aus dem reinen Quell der allgemeinen, jedem gemeinen Menschen beiwohnenden Vernunftreligion geschöpft, betrachtet werden, die, eben durch diese Einfalt, auf die Herzen derselben den ausgebreitetsten und kräftigsten Einfluss haben.

*im Sinn von „Laien“

Der Streit der Fakultäten

Zum Beten

Das Beten, als ein innerer förmlicher Gottesdienst und darum als Gnadenmittel gedacht, ist ein abergläubischer Wahn (ein Fetischmachen); denn es ist ein bloß erklärtes Wünschen, gegen ein Wesen, das keiner Erklärung der inneren Gesinnung des Wünschenden bedarf, wodurch also nichts getan, und also keine von den Pflichten, die uns als Gebote Gottes obliegen, ausgeübt, mithin Gott wirklich nicht gedient wird.

Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft

Zum Kirchgang

Das Kirchengehen, als feierlicher äußerer Gottesdienst überhaupt in einer Kirche gedacht, ist, in Betracht, dass es eine sinnliche Darstellung der Gemeinschaft der Gläubigen ist, nicht allein für jeden einzelnen zu seiner Erbauung anzupreisendes Mittel, sondern auch ihnen, als Bürgern eines hier auf Erden vorzustellenden göttlichen Staats, für das Ganze unmittelbar obliegende Pflicht.

Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft

Zum Religionsunterricht

Die wahre Gottesverehrung besteht darin, dass man nach Gottes Willen handelt, und dies muss man den Kindern beibringen. Man muss bei Kindern, wie auch bei sich selbst, darauf sehen, dass der Name Gottes nicht so oft gemissbraucht werde. Wenn man ihn bei Beglückwünschungen, ja selbst in frommer Absicht braucht: so ist dies eben auch ein Missbrauch. Der Begriff von Gott sollte den Menschen, bei dem jedesmaligen Aussprechen seines Namens, mit Ehrfurcht durchdringen, und er sollte ihn daher selten, und nie leichtsinnig gebrauchen. Das Kind muss Ehrfurcht vor Gott empfinden lernen, als vor dem Herrn des Lebens und der ganzen Welt; ferner, als vor dem Vorsorger der Menschen, und drittens endlich, als vor dem Richter derselben.

Über Pädagogik

Links

Eine Auswahl an Texten u.v.m. rund um das Kant-Jubiläum: