Ein „O“ gegen den Verlust der Weihnachtssehnsucht

In diese Welt müsse deutlich hörbar ein weihnachtliches „O“ hineinschneien, meint der lutherische Theologe Stephan Schaede, Leiter des Amtsbereichs der VELKD.

Weil so viele Menschen nichts mehr von Gott erwarten, können sie auch nicht mehr sehnsuchtsvoll auf ihn warten. Das beklagt der Theologe Dr. Stephan Schaede, Vizepräsident der EKD und Leiter des VELKD-Amtsbereichs. Die Welt klammere sich stattdessen adventsverloren an den Augenblick, der durch Krieg, Krisen und Streit bestimmt sei und könne Freude nur noch durch Gegenwartsbetäubung erleben.

Der Schlüssel zu Weihnachten sei ein kurzer Ausruf – das „O“: „Im O drückt sich eine vielschichtige Sehnsucht aus, die auch vermisst, was nicht da ist oder leider nicht der Fall ist.“ In „O du fröhliche“ und „O Tannenbaum“ komme es noch vereinzelt zum Ausdruck. Gebührend gepflegt werde es aber in einer über 1.000 Jahre alten Gesangstradition, die an den sieben Tagen zwischen dem 17. und dem 23. Dezember in der katholischen Abendvesper fortgeführt werde: Sieben sechsstrophige O-Gesänge in einer festgelegten Reihenfolge steigern Tag für Tag die sehnsuchtsvolle Vorfreude auf das Christfest. Dem staunenden „O“ folgen sieben dem Alten Testament entnommene Anrufungen, die dem Erwarteten Kontur geben: Weisheit, Herr, Nachkomme Isais, Schlüssel Davids, Morgenstern, König der Völker und schließlich, am Vorabend der Christnacht, Emmanuel.

In diesen sieben Antiphonen, die in der katholischen Liturgie als Vor- und Kehrvers das Magnifikat einrahmen, tue sich „eine hinreißende Bilderwelt“ auf, so Schaede. „Was sich da in gehobener Strophensprache zeigt, ist ganz elementar dies: Gott, wir warten auf Dich. Und wir erwarten viel von Dir. Versöhnung, Freiheit, leibliche und seelische Heilung, Hoffnung, Friede und mehr lebensbiographische Klarheit für Individuen, Gruppen und ganze Bevölkerungszusammenhänge.“ Die lutherische Theologie habe dazu noch die dunkle, die „himmelsstürzende Seite“ des Christus zum Ausdruck gebracht: „Da sind Schmerz und Leid, Abgrund und Trauer, Einsamkeit und Verlust, Krise und Verzweiflung, die in Gott und von Gott gesehen und erlitten werden und die zugleich von einem sie besiegenden Jubel und Freude umfangen werden.“ 

Die Weihnachtssehnsucht dieses „O“ müsse deutlich hörbar in diese Welt hineinschneien. „Es wird höchste Zeit, gerade in diesem verflixt schwierigen Jahr, kraftvoll darin einzustimmen – hörbar für alle Welt, auf dass sie lebenshungriger werde!“

Den vollständigen Text der Weihnachtsbotschaft von Stephan Schaede können Sie hier einsehen.

Hannover, 20. Dezember 2023

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